In letzter Zeit führe ich viele Unterhaltungen mit Menschen, welche erst kürzlich in mein Leben getreten sind. Einige davon haben Minijobs, sind kleinselbstständig oder sogar Arbeitslos und somit regelmäßig beim Arbeitsamt vorstellig. Es sind wirklich nette Menschen die Besseres verdient haben als das. Gerade die Arbeitslosen wissen immer wieder interessantes aus ihrem Leben zu berichten und vor allem, aus ihren Erfahrungen mit den hiesigen Arbeitsämtern.
Ich selbst war ebenfalls vier Jahre arbeitslos und weiß somit wie hart diese Zeit sein kann. Insbesondere wenn es um den Wunsch geht, endlich wieder etwas sinnvolles mit seinem Leben anzufangen. Nur habe ich damals gelernt, dass das Arbeitsamt genau dabei die schlechteste Hilfe ist. Und leider, obwohl das schon über acht Jahre her ist, scheint sich daran nichts geändert zu haben. Im Gegenteil: es wird schlimmer.
Wie oft haben wir als Kind von einem ganz bestimmten Job geträumt, welchen wir unbedingt einmal nachgehen wollten. Diese Träume haben sich im Laufe der Jahre bei den meisten Menschen zu Zielen entwickelt. Oft auch zu Zielen, welche inzwischen unerreichbar sind. Wobei dies der falsche Ausdruck ist. Eher unerreichbar gemacht werden. Gerade wenn der Ernst des Lebens beginnt, sitzen wir da und fragen uns, was wir nach der Schule machen. Oder nach der Kündigung oder andere Gründe welche uns in die Arbeitslosigkeit treiben. Wo wollen wir hin? Was wollen wir machen? Und irgendwann haben wir eine Antwort und sind gezwungen, diese dem Arbeitsamt mitzuteilen. Dieses lädt einen dann zu einem Gespräch ein und man beginnt zu erzählen. Und erzählen. Und *gähn* zu erzählen. Immer mit dem bitteren Beigeschmack, dass die Person gegenüber eigentlich gar keine Lust hat zuzuhören, geschweige denn dies auch zu beherzigen.
Stattdessen tippt sie irgendwas in ihren Computer und man selbst unterschreibt, dass man verpflichtet ist sich zu bewerben. Einige Wochen später, nach unzähligen und fruchtlosen Bewerbungen werden wir vorgeladen und uns wird vorgehalten, wir würden nicht gut suchen, seien zu faul (ja das dürfte ich mir tatsächlich anhören) oder unsere Bewerbungen sind zu schlecht. Nun beginnt die Zeit, in der wir uns auf die Stellen bewerben müssen, die uns das Arbeitsamt vorschreibt und uns, liebevoll verpackt und einem Post-It „Sofort bewerben!“ markiert, zu etwas zwingt, was wir eigentlich gar nicht wollen. Nach näherer Betrachtung muss man sich erst einmal hinsetzen.
„Mit welcher Silbe in dem Gespräch habe ich erwähnt, dass ich in einem Callcenter, als Hausmeistergehilfe oder als Regalpacker arbeiten will?“ schießt uns durch den Kopf und unsere Wunschtätigkeit rückt in weite Ferne. Bei Klärungsversuchen mit dem Sachbearbeiter haben wir besonders viel Spaß. „Entweder Sie bewerben sich da oder wir müssen Ihre Bezüge kürzen.“ wird dann liebend gerne gesagt. Wo sind dabei unsere Wünsche? Wo ist unsere Entscheidungsfreiheit? Ich finde es ehrlich gesagt immer wieder erschreckend zu hören, dass Leute von ihren Träumen ferngezogen werden, nur damit die Statistik geschönt ist. Hauptsache beschäftigt. Egal um welchen Preis.
Meine letzte Erfahrung war, dass ich nur noch zwei Monate zum Ausbildungsbeginn hatte und mir meine Sachbearbeiterin tatsächlich eine weitere Stelle geschickt hat, mit Aussicht auf einen Ausbildungsplatz. Ich bin grundsätzlich höflich. Egal in welcher Situation. Aber als ich anrief um zu erklären, dass der Dame mein unterschriebener Ausbildungsvertrag bereits vorläge und ich somit einer anderen Person, welche den Platz vielleicht noch benötigte, die Chance nehmen würde und mich deshalb nicht vorstelle, drohte sie mir eine Sperre an. Nachdem bereits viele und vor allem unverschämte Dinge vorgefallen sind, habe ich die Fassung verloren. Ich teilte ihr mit, dass ihr verhalten nicht dem entspricht, was ich mir unter Hilfe vorstelle und mir nun doch das Recht nehme, eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen, welche ich ihr bereits angedroht habe, und sie mich gerne Sperren darf, wenn sie der Meinung ist, dies tun zu müssen.
De Facto hat die Dame nichts getan bis auf eines: Sie meinte, wenn ich wieder arbeitslos werden sollte, werde ich Probleme haben, da sie dies vermerken wird. Bitte. Danke. Auf Wiedersehen.
Was dies mit diesem Thema zu tun hat? Ganz einfach: Egal was wir sagen: die Belange des Arbeitsamtes werden vor den Belangen der Menschen gestellt, die wirklich arbeiten wollen.
Gerade in Berlin wurde festgestellt, dass uns die Arbeit krank macht. Nicht nur weil wir zu viel arbeiten sondern auch weil wir Arbeiten ausüben, welche uns keinen Spaß (mehr) machen. Krank werden fängt immer im Kopf an. Und wenn der Kopf die Schnauze voll hat, findet der Körper einen Weg zu sagen „Es reicht“. Dies wiederrum führt zu einem Teufelskreis.
Kopf sagt „es reicht“ > Körper sagt ok > Arbeitnehmer ist krank > Arbeitnehmer kommt wieder > Kopf sagt „es reicht“> […] > Arbeitgeber kündigt den Arbeitnehmer.
Und schwupps, landen die Leute wieder beim Arbeitsamt. Und gerade heute geht besonders letzteres durchaus schnell… leider.
Was ich nun mit dem Beitrag eigentlich sagen will: ich möchte einfach darauf aufmerksam machen, dass der Mensch mehr als ein Arbeitstier ist. Der Kopf hat Bedürfnisse die nur selten in einem Callcenter befriedigt werden. Das Arbeitsamt sollte langsam damit beginnen, die Wünsche der Menschen, die Tag für Tag, meist hilfesuchend, vor seiner Tür steht, zur Kenntnis nehmen und nach Möglichkeit versuchen die so gut es geht zu erfüllen.
Mir ist durchaus bewusst, dass dies nicht immer möglich ist, aber ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass es nur noch darum geht, Leute aus der Statistik zu bekommen. Und auch das Amt sollte wissen, dass glückliche Arbeitnehmer auch produktivere Arbeiter sind.
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1 Kommentar zu „Wünsche vs. Arbeitsamt“
Danke für diesen Artikel! Endlich spricht es mal jemand offen aus. Wir sind leider tatsächlich alle nur Nummern für das Arbeitsamt. Auch die sogenannten “Hilfen zur Selbstständigkeit” kann man vergessen, bevor man die bekommt wird man in einen 1 Euro Job gesteckt. Hauptsache weg aus der Statistik.
Ganz verloren hat man übrigens, wenn man die “Hilfe zur Selbstständigkeit” für einen künstlerischen Beruf beantragen will. Völlig egal ob man – in meinem Fall als Autorin – schon Referenzen vorzuweisen hat; etwas anderes als mit einem abfälligen Lächeln einen 1 Euro Job angeboten zu bekommen, das kann man NICHT erwarten!
Ich empfehle dem Arbeitsamt eine Umbenennung in “Raus aus der Statistik – Amt”.